Unsere wirtschaftliche Welt wird immer dynamischer und volatiler. Unternehmen müssen Marktschwankungen ausgleichen, Lieferstörungen kurzfristig beantworten oder auf strukturelle Veränderungen – wie z.B. den Einsatz von KI – reagieren.
Diese Entwicklungen zwingen viele Organisationen in Deutschland zu einer Restrukturierung: Sie müssen ihre Belegschaft neu denken, Prozesse anpassen und unter volatilen Bedingungen wettbewerbsfähig bleiben. Immer mehr Wege sind nötig, um Kapazitätsschwankungen flexibel abzufedern.
Unternehmen haben bisher schon auf konjunkturelle Schwankungen einerseits mit Überstunden oder Personaleinstellungen, andererseits mit Arbeitszeitverkürzungen, Kurzarbeit oder Entlassungen reagiert. Seit einigen Jahren jedoch nimmt – nicht zuletzt aufgrund politischer Einflussnahme – die Volatilität exponentiell zu. VUCA-World ist das Synonym dafür. Für die HR-Strategie werden die Anforderungen damit immer höher.
Um agil zu bleiben, müssen Unternehmen lernen, ihre Kapazitäten schnell und kosteneffizient auszugleichen – eine Herausforderung, die eine durchdachte Personalplanung erfordert. Die Herausforderung für HR-Abteilungen besteht darin, flexibel auf steigende und fallende Arbeitslasten zu reagieren, möglichst ohne Kündigungen oder temporäre Einstellungen. Sozialverträglicher Personalabbau wird dabei zu einem wichtigen Bestandteil einer nachhaltigen HR Strategie.
Das „atmende Unternehmen“
Die Idee eines flexiblen Personalmanagements ist nicht neu. Bereits in den 1990er Jahren prägte Volkswagen den Begriff des „atmenden Unternehmens“, um eine Organisation zu beschreiben, die ihr Arbeitsvolumen im Einklang mit der Marktnachfrage erhöhen oder verkleinern kann – ganz wie beim Ein- und Ausatmen.
Die heutigen Gründer von timefonds entwickelten schon damals personalpolitische Instrumente, die eine stufenweise Anpassung der Personalkapazität an Nachfrageschwankungen ermöglichten. Ihr Ziel war es, Mechanismen zu schaffen, die eine schrittweise Anpassung ermöglichen, ohne das Unternehmen oder die Mitarbeitenden zu destabilisieren. Einige dieser frühen Instrumente waren:
- Arbeitszeitverkürzung bei gleichzeitiger Gehaltsverkürzung (4 Tage-Woche).
- mit Arbeitszeit- oder Gleitzeitkonten wurden bei hoher Auslastung Stundenvolumen aufgebaut, die bei niedriger Auslastung wieder abgeschmolzen wurden (Planungszeitraum war meist 1 Jahr).
- Langzeitkonten mit einer Perspektive von ca. 2 Jahren hatten längerfristige Planungszeiträume.
Bei allen in Zeit geführten Konten zeigt sich das Thema der bilanziellen Rückstellungen, die einen zu starken Aufbau der Konten verhindern und damit den Flexibilitätspuffer beschränken.
Zeitwertkonten: Eine langfristige Lösung
Um diese Einschränkung zu überwinden, wurden Zeitwertkonten als zusätzliches „Ateminstrument“ für die Personalplanung entwickelt. Sie sind auch als Lebensarbeitszeitkonten bekannt.
Mit einem Zeitwertkonto können Arbeitnehmer Überstunden, Boni oder nicht genutzten Urlaub in Geldwerte umwandeln und ansparen. Dieses Guthaben lässt sich später für bezahlte Freistellungen verwenden – zum Beispiel für Sabbaticals, Weiterbildungen oder einem vorzeitigen Ruhestand. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer können auf das Konto einzahlen – zur Förderung von Flexibilität oder zur Anerkennung langfristiger Bindung.
Zeitwertkonten können das erwähnte Bilanzthema dadurch lösen, dass die bilanzielle Verpflichtung auf eine Treuhand ausgelagert wird. So wird der Wert außerhalb der Unternehmensbilanz verwaltet – und schafft langfristige Sicherheit und Flexibilität für beide Seiten.
Sozialverträglicher Personalabbau und Restrukturierung mit Zeitwertkonten
In jüngster Zeit ist immer häufiger nicht nur von konjunkturellen, sondern auch von strukturellen Anpassungsbedarfen die Rede – ausgelöst durch Märkte, Automatisierung, Digitalisierung oder strategische Neuausrichtung. Diese Transformationen erfordern oft eine dauerhafte Reduktion oder Neuorganisation beim Personal.
Eine Restrukturierung ist ein sensibler Prozess. Ein Unternehmen, das diesen Prozess gut gestaltet, bewahrt Vertrauen und Motivation; wer ihn schlecht umsetzt, riskiert einen Reputationsverlust und Demotivation.
Eine sozialverträgliche HR Strategie zielt darauf ab, diese Übergänge so zu gestalten, dass Belastungen für Mitarbeitende minimiert werden. Anstatt ausschließlich auf Kündigungen zu setzen, erarbeiten Unternehmen mit ihrem Betriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Diese legen fest, wie Personalabbau fair und transparent umgesetzt wird – also ein sozialverträglicher Personalabbau, der Verantwortung und Weitsicht verbindet.
Meist versucht man zunächst – nach Abbau aller Arbeitszeitpuffer – über vorzeitige Pensionierungen, Altersteilzeitmodelle und über finanziell abgefederte Aufhebungsverträge die Personalstärke zu reduzieren. Dies ist für Unternehmen zumeist mit hohen Kosten verbunden.
Hier bieten Zeitwertkonten eine wirkungsvolle und nachhaltige Ergänzung:
- Gibt es eine Phase der Kurzarbeit, so kann das Zeitwertkonto für Aufstockungen bis zu einem vereinbarten Mindestlevel (z.B. 70% des Gehalts) genutzt werden.
- Man kann mit dem Zeitwertkonto die Aktivphase in einem Altersteilzeitmodell finanzieren.
- Aufstockungen bei Sozialleistungen vor dem vorzeitigen Rentenbezug sind ebenfalls möglich.
- Wenn Personalkapazitäten sehr schnell abgebaut werden müssen und man sozial verantwortlich handeln will, so kann man den Transfer in eine separate Gesellschaft planen und dort bestimmte Auszeiten, Weiterbildungszeiten und Vermittlungsphasen über das Zeitwertkonto finanzieren.
Ein großer Vorteil von Zeitwertkonten ist ihre rechtliche und soziale Absicherung. Nach dem Flexi-II-Gesetz bleiben während einer Freistellung sowohl Renten-, Kranken- als auch Arbeitslosenversicherung bestehen. Das bedeutet: Beschäftigte behalten ihren vollen Sozialversicherungsschutz, auch wenn sie für eine längere Zeit pausieren.
Diese rechtliche Grundlage macht das Zeitwertkonto zu einem Werkzeug für sozialverträglichen Personalabbau und nachhaltigem Personalmanagement. Gerade in Zeiten hoher Volatilität können Zeitwertkonten Unternehmen helfen, Personalabbau und Downsizing verantwortungsvoll zu gestalten. Sie vermeiden soziale Härten, schützen den Ruf des Unternehmens und stärken die Arbeitgebermarke langfristig.
Fazit: Zeitwertkonten machen Personalplanung zukunftssicher
In einer Zeit, die von Restrukturierung, Transformation und Unsicherheit geprägt ist, bieten Zeitwertkonten für Unternehmen die Möglichkeit, flexibel zu bleiben, ohne soziale Verantwortung aufzugeben.
Ob zur Abfederung von Kapazitätsschwankungen, zur Förderung der Work-Life-Balance oder für einen sozialverträglichen Personalabbau – Zeitwertkonten sind ein modernes Werkzeug, das Flexibilität und Verantwortung miteinander verbindet. Unternehmen, die auf dieses Modell setzen, stärken nicht nur ihre wirtschaftliche Stabilität, sondern auch ihre Attraktivität als Arbeitgeber. Sie zeigen auch, dass langfristige Flexibilität und soziale Verantwortung Hand in Hand gehen können.




